Ecole Amitie Jahresbericht - Dezember 2013

Erfolg: In der Abschlussklasse 2013 waren103 Schüler zum staatlichen“Certificat Examen” angemeldet, davon haben 91 die Prüfungen bestanden – wieder ein sehr gutes Ergebnis für die Ecole Amitie, das sich auch im Vergleich mit anderen Schulen sehen lassen kann.

Schülerzahlen: Im Schuljahr 2012/13 besuchten etwa 850 Kinder die Schule. Entsprechend einer Vorgabe des Erziehungsministeriums mussten die Schülerzahlen pro Klasse ab 2012/13 bedeutend reduziert werden. Ziel der Vorgabe ist es, die Klassenstärken auf maximal 50 Kinder zu beschränken.

Im Schuljahr 2013/14 reduzierte sich die Anzahl der Schüler erneut – auf nunmehr rund 700 Kinder (600 Grundschüler der Klassen 1-6 und etwa 100 Vorschulkinder). Bei dieser Schülerzahl soll es nun langfristig bleiben. Die etwa 60 Lehrlinge der Nähkurse kommen noch hinzu. Ebenfalls nicht zu vergessen sind all die externen Gruppen, die gerne die Räumlichkeiten der Schule an den Wochenenden oder in den Ferien benutzen.

Schulspeisungen: In der Folge des Hurricans vom Herbst 2012 waren die für die Schulen bestimmten Lebensmittellieferungen der Hilfsorganisationen in den Süden des Landes umgeleitet worden, wo der Sturm die Ernten vernichtet hatte. Das hatte eine Unterbrechung der Schulspeisung zur Folge.

Doch glücklicherweise konnte ab Januar 2013 die Schulkantine ihren Betrieb wieder aufnehmen und den Schülern das ganze restliche Schuljahr täglich eine warme Mahlzeit angebieten.

Trauer : Haiti blieb in diesem Jahr von schlimmen Naturkatastrophen verschont und es gab auch keine grösseren politischen Unruhen.

Der grösste Schock für die Schule kam gleich zu Anfang des Jahres 2013. Die zwei Lehrer der 6. Klassen wollten am Wochenende des 19. Januars gemeinsam einen Ausflug per Motorrad an die dominikanische Grenze unternehmen. Auf dem Weg stiessen sie an einer Kreuzung mit einem Lastwagen zusammen. Einer der Lehrer war sofort tot, der andere starb zwei Tage später im Krankenhaus von Cap Haitien. Bei den Lehrern handelte es sich um Louis-Marc Gelin, 37 Jahre und Anius Bien-Aime 42 Jahre, beide sehr beliebt und schon seit Jahren an der Schule tätig.

Eine Tragödie für die Familien. Beide waren verheiratet und hinterlassen jeweils zwei kleine Kinder, beide lebten mit weiteren finanziell abhängigen Familienangehörigen zusammen...

Eine Tragödie auch für die Kinder an der Schule - so waren die Bestürzung und die Trauer immens. An den Feierlichkeiten zur Beerdigung nahmen alle älteren Klassen teil... Und danach musste der Unterricht irgendwie weitergehen. Zwei neue Lehrer wurden gefunden und zunächst auf Probe eingestellt. Glücklicherweise erwiesen sich beide als beeindruckend kompetent, und sie verstanden es, die verstörten Schüler der 6. Klassen doch noch zu einem guten Schulabschluss zu führen.

Keine grossen Feste: Die Stimmung an der Schule war zum Ende des Schuljahres im Juni/Juli in der Folge des tragischen Unfalls noch immer gedämpft.

Zudem hatten zwei weitere Lehrer Trauerfälle in ihrer nahen Familie zu bewältigen: der Schneidermeister Francilo Pierre hatte seinen 20-jährigen Sohn, (der ihn im Alter versorgen sollte) durch ein Fieber verloren, und die Lehrerin Joceline Jacques musste den Verlust ihrer alten Mutter beklagen, mit der sie zusammengelebt hatte.

Trotz dieser Stimmung der allgemeinen Trauer fanden doch einige bescheidene Aktivitäten statt:

Zum Fahnenfest am 18. Mai machten die Amitie-Schüler einen Umzug durch den eigenen Stadtteil, begleitet von der Blaskapelle der zum Teil ehemaligen Schüler.

Zum Fest von Vertieres (Sieg über die Franzosen am 18. November 1803) war das gegebene Ausflugsziel ein zu Fuss erreichbares Denkmal ausserhalb von Cap Haitien.

Judo Wettbewerb: Der Höhepunkt des Jahres war für viele Amitie- Schüler jedoch wieder der grosse Judo Talentsuche Wettbewerb, der jeden Sommer im grossen Gymnasium der Stadt stattfindet.

Judo ist in Haiti ein sehr beliebter Sport geworden und es gibt in Cap Haitien über 100 Clubs. Der “Sensei” (Leiter) des “Club Cobra” heisst Silien Dieufete und trainiert die Amitie-Schüler ehrenamtlich. Er arbeitet als Sicherheitskraft am Hospital von Milot und ist hoch qualifiziert. So haben auch beim diesjährigen “Championat” Schüler der Ecole Amitie den ersten und zweiten Platz errungen. Eine Sonderspende hatte den Kauf von 30 neuen Judo - Anzügen ermöglicht. Diese zu tragen erfüllte die jungen Sportler mit besonderem Stolz.

Zum festen Jahresprogramm an der Schule gehören inzwischen auch die vom Erziehungsministerium angebotenen einwöchigen Fortbildungsseminare für die Lehrer und die regelmässig durchgeführten wichtigen Informationsveranstaltungen zum Thema AIDS und Cholera.

Warten auf staatliche Subventionen

Präsident Martelly wurde im Jahre 2011 in sein Amt gewählt. Vieles wurde während des Wahlkampfes verprochen. Eines der Wahlversprechen des Präsidenten Martelly war (wie schon im vorigen Rundbrief erwähnt) den kostenlosen Grundschulbesuch im Lande zu ermöglichen. Zur Finanzierung dieses Zieles wurde sogar eine neue Steuer auf Auslandstelefonate erhoben.

Schon im Jahre 2011/12 hatte die Ecole Amitie begonnen die nötigen formellen Vorbedingungen für die staatliche Förderung zu erfüllen. Dazu gehörte auch die schrittweise Begrenzung der Klassengrössen (auf nicht mehr als 50 Schüler). So reduzierte sich die Anzahl der Schüler im Schuljahr 2012/13 von 1010 auf 850 und im Schuljahr 13/14 erneut auf nun rund 700 Kinder.

Die Anträge für die Aufnahme in das Förderprogramm waren von der Ecole Amitie schon 2012 ordnungsgemäss ausgefüllt und eingereicht worden und mit Spannung wurden die staatlichen Zahlungen erwartet. Aber die Unregelmässigkeiten und Täuschungsversuche anderer Antragsteller waren in dieser Anfangsphase so massiv, dass der haitianische Staat im Januar 2013 alle bisherigen Zusagen für nichtig erklärte und die Schulen aufforderte ihre Anträge ganz neu vorzulegen.

Zudem wurden die Direktoren der als förderungswürdig befundenen Schulen vom Erziehungsministerium aufgefordert an einer ganzen Reihe von vorbereitenden Besprechungen und Seminaren teilzunehmen. Zu diesem Zweck musste auch unser Co-Direktor Melchior fünf Mal nach Port-au-Prince reisen und an zahlreichen Sitzungen in Cap Haitien teilnehmen.

Die ausgesuchten Schulen wurden weitgehend über das Wann und Wieviel der zu erwartenden Subventionen im Unklaren gelassen. So verging das Jahr 2013 mit viel Warten und Hoffen von Monat zu Monat. Dann, endlich Mitte November, wurde das lange Warten schliesslich belohnt und die Ecole Amitie erhielt eine erste Überweisung auf das eigens dafür eingerichtete Konto. Eine dringend notwendige Zuwendung, um das Budget zu ergänzen, denn durch die unumgängliche Erhöhung der Lehrergehälter seit Frühjahr 2012 war die finanzielle Lage der Schule noch schwieriger geworden.

Nun bleibt es die grosse Frage, wie zuverlässig die staatliche Förderung in Zukunft sein wird. Klar ist, dass die staatliche Unterstützung selbst im besten Fall nur einen Teil der laufenden Kosten der Ecole Amitie tragen hilft. Es gibt im Lande so viele hilfsbedürftige Schulen ... so wird die Förderung noch auf Jahre hinaus eher bescheiden ausfallen.

Aber doch ist es ein Anfang – und ein Beweis, dass der haitianische Staat ernsthaft versucht dieser wichtigen Aufgabe gerecht zu werden. Darüber sind wir sehr froh!

Lehrerkonferenz:

Ende September 2013 fand an der Ecole Amitie eine grosse Lehrerkonferenz statt an der auch Frau Schütt teilnahm (die wie bereits in den Vorjahren die Sommermonate in Cap Haitien verbrachte um der Schule nach Kräften behilflich zu sein).

Neben den üblichen schulischen Themen ging es auch wieder um die Frage der Gehälter und die Zukunft der Schule. Ob der Staat die Gehälter einiger unserer Grundschullehrer offiziell übernehmen wird muss sich erst noch herausstellen.

Die damit verbundene Aussicht auf mehr Sicherheit, eine feste lebens-lange Anstellung (mit Rente) ist für die Lehrer natürlich sehr verlockend, aber nur voll ausgebildeten Lehrern zugänglich. Der grosse Nachteil einer staatlichen Anstellung ist allerdings, dass man jederzeit an eine andere Schule versetzt werden könnte, selbst in eine andere Stadt oder auf ein Dorf, ohne Rücksicht auf die eigenen Wünsche. Ein unvermeidbares Risiko, das jedoch nicht allzuhäufig eintritt.

Vorschule, Näh- und Handwerksunterricht, sowie Sport, Kunst und Musik werden nicht vom Staat finanziert. Dafür reichen die nationalen Mittel nicht aus.

Wünsche und Pläne:

Dank der Hilfe der Deutschen Botschaft war es im Jahre 2012 möglich gewesen eine ganze Reihe baulicher Verbesserungen durchzuführen.(So vor allem die lang ersehnte Überdeckelung des Kanals). Leider herrschte 2013 wegen fehlender Mittel völliger Bau-Stillstand.

Der dringlichste Punkt auf der Liste der nötigen Verbesserungen ist noch immer die Dach-Erneuerung des Hauptgebäudes. Inzwischen befindet sich das Dach in einem derart durchgerosteten Zustand, dass es nicht mehr zu flicken ist.

Die Schule hatte bei der Suche nach Sponsoren auch bei der Kreuz-schiffahrtslinie RCCL (Royal Caribbean Cruise Line) angefragt und 2012 zunächst eine Zusage erhalten, aber durch viele Personalveränderungen und Wechsel der Zuständigkeiten konnte diese Zusage 2013 noch nicht umgesetzt werden. Die Aluminium-Dachplatten sind schon an die Schule geliefert worden. Wir hoffen auf Durchführung in 2014.

Die anderen Punkte unserer Bau-Wunschliste hatten wir auch schon in unserem letzten Jahresbericht aufgeführt:

- der Bau von zwei zusätzlichen Klassenzimmern,

- eine breite überdachte Galerie,

- eine neue Latrine und

- die bessere Gestaltung des Schulhofes.

Wenn noch etwas davon bis zu unserem 20-jährigen Jubiläum im Januar 2016 realisiert werden könnte wäre das sehr, sehr schön.

Ja, 2016 feiert unsere Ecole Amitie bereits ihr 20-jährige Bestehen !! Es war ein langer und oft schwieriger Weg. Nur durch grosse Anstrengung und Beharrlichkeit vieler Helfer und durch die treue Unterstützung der Spender ging es immer irgendwie weiter. Schritt für Schritt ist über die Jahre hinweg das Terrain der Schule mühsam dem Fluss und dem Müll abgetrotzt worden und jederzeit kann ein Blick über die Schulhofmauer uns heute daran erinnern wie kostbar das Errungene in diesem Umfeld ist.

Wir können stolz sein und dürfen uns freuen, aber vor allen Dingen sagen wir wieder von Herzen Danke - Danke im Namen der Lehrer, der Eltern und im Namen der Kinder an Sie liebe Spender. Danke für Ihre Hilfe und Ihre Solidarität. Danke für Ihren Blick über die Mauer.

Herzliche Grüsse

Laetitia Schütt, Regina Matt