Ecole Amitié Jahresbericht - Dezember 2011

Situation in Haiti

Im Vergleich zum Katastrophenjahr 2010 - mit Erdbeben, Cholera und Angst vor politischen Ausschreitungen bei der Präsidentenwahl - erging es Haiti in 2011 nicht so schlecht.

Zwar herrschte viel Frustration und Ungeduld wegen Verzögerungen aller Art beim Wiederaufbau des Landes (vor allem in den Zeltlagern von Port-au-Prince), aber es ist auch Positives zu berichten.

So war es gelungen, durch den großen Einsatz vieler Organisationen (darunter vor allem “Ärzte ohne Grenzen”), die Choleraepidemie schon Anfang 2011 weitgehend so einzudämmen, dass sehr viel weniger Menschen daran starben.

Die Einsetzung des neuen Präsidenten Martelly ging im April friedlich vonstatten, wenn auch die unterlegene Partei durch Mehrheit im Senat die Bestätigung eines neuen Premierministers wiederholt verhinderte, und so das Land noch monatelang ohne funktionsfähige Regierung blockiert war. Im Oktober wurde dieses Hindernis schließlich überwunden, und nun hoffen alle, dass der ersehnte Aufbau Haitis endlich schneller vorankommt.

Ecole Amitie - Rückblick 2011 und Vorschau 2012

1010 Schüler konnten Ende Juni dort ihr Schuljahr 2010/11 normal abschließen, doch die Ergebnisse waren weniger zufriedenstellend als in den Vorjahren, wohl eine Folge der durchlittenen Anspannungen.

Für das Schuljahr 2011/12 sind 1134 Schüler an der Schule der Freundschaft eingeschrieben. Die meisten Klassenstärken zwischen 60 und 75 Schülern.

Zu unserer großen Freude hatten wir auch im Jahr 2011 mehr Spenden erhalten als zum bloßen Überleben der Schule nötig war. So konnten auch in diesem Jahr wieder etliche Verbesserungen an der Schule durchgeführt werden.

Lehrergehälter

Die meisten Lehrer hatten auch im Schuljahr 2010/11 für das selbe minimale Gehalt gearbeitet wie vor 10 Jahren , und ihre Bitte um eine spürbare Gehaltserhöhung war nur zu verständlich und berechtigt. Sie mussten jedoch noch einmal auf später (2012) vertröstet werden, weil die finanziellen Mittel des Schule dazu noch zu ungewiss waren, zumal weitere Kosten den monatlich aufzubringenden Betrag erhöht haben.

So war es nötig ab Oktober, zu Beginn des neuen Schuljahres, zwei zusätzliche Lehrer einzustellen, um Parallelklassen für die aufrückende 5.und 6. Klasse einzurichten, (alle übrigen Klassen waren schon verdoppelt).

Um unseren Spendern die persönlichen Lebensumstände der Lehrer nahezubringen hatten wir schon mehrmals daran gedacht Kurzporträts der Lehrer zusammenzustellen. Dies ist nun im Umriss gelungen. (Die Kurzporträts sind auf Anfrage bei Frau Matt erhältlich.)

Kleine Erleichterungen und Freuden

Wenn auch die größeren Wünsche der Lehrer noch nicht erfüllt werden konnten, so waren doch einige kleinere ermutigende “Gesten” für die Lehrer schon 2011 möglich. So konnten wir den Lehrern drei Extrazuwendungen auszahlen: zum Mutterfest im Mai, vor Beginn des Schuljahres im September und vor Weihnachten.

Zum Abschluss des Schuljahres im Juni konnte ein gemeinsamer Tagesausflug von der Lehrerschaft und dem anderen Personal der Schule durchgeführt werden. Die Organisation des ersten Ausfluges dieser Art wurde ganz der Direktion der Schule überlassen. Die Wahl fiel auf einen Strand, der etwa 40 Minuten von Cap Haitien entfernt liegt und wo selbst gekocht werden konnte.

Um dem Ablauf des Schuljahres eine weitere Struktur zu geben, mit Ereignissen, auf die sich die Schüler freuen können, wurde beschlossen zwei grössere Schulfeste einzuführen: Eines im Dezember oder Januar, und ein zweites im Juni. Beide würden den Schülern die Gelegenheit bieten, bei Musik, Tanz oder Theater Darbietungen, ihre Talente zu zeigen. Alle angesehenen Schulen in der Stadt haben solche Feste. Die Schüler lieben sie und bereiten sich mit größtem Eifer darauf vor.

Die Blaskapelle der Ecole Amitie hatte sich 2011 musikalisch noch nicht sicher genug gefühlt um am 18. Mai an der großes Parade aller Schulen der Stadt teilzunehmen. Es blieb vorerst bei kleineren Umzügen in der näheren Umgebung.Von den ersten Musikanfängern hatte die Hälfte nach einigen Monaten aufgegeben. Neue Interessierte sind gleich an ihre Stelle getreten und üben.

Sport

Die Möglichkeiten für sportliche Aktivitäten sind an der Ecole Amitie sehr begrenzt, da der Schulhof für die Einrichtung von Spielfeldern nicht genug Raum bietet.

Darum hatten wir uns sehr gefreut, als der Fußballplatz neben der Schule von der Stadtverwaltung aufgeschüttet wurde. Leider ist aber noch kein Maschendraht hinzugekommen, der den Platz an der Seite zum Fluss abschirmt, so dass beim Spiel ständig der Ball aus dem Wasser gefischt werden muss. Zudem wird das Flussufer weiterhin als Müllhalde gebraucht. Dies hat die erste Begeisterung schnell gedämpft. Das ganze Stadtviertel hofft, dass möglichst bald eine Lösung für dieses Problem gefunden wird, damit der kostbare Platz wirklich gebraucht werden kann.

Judo – Club: Das Interesse der Schüler hat sich inzwischen in eine andere sportliche Richtung gewandt. Seit dem Sommer 2007 schon nutzt ein junger Judo - Sensei (schwarzer Gürtel und zertifizierter Ausbilder) mit seinen Freunden am Wochenende einen großen Klassenraum der Schule für das Training von seinem “Cobra” Judo Club.

Der Club hatte bald auch bei den Schülern großen Anklang gefunden, und über 80 Jungen und Mädchen verschiedener Altersgruppen machen inzwischen begeistert mit. Die Gruppen trainieren jeden Samstag, Sonntagnachmittag und während der Ferien sogar täglich. Sie nehmen inzwischen auch schon regelmäßig (und erfolgreich) an Wettkämpfen mit anderen Clubs teil.

Die Ausstattung ließ noch zu wünschen übrig, da nur wenige weiße Judoanzüge zur Verfügung standen. So war der Club überglücklich, dass eine Spende von festem, weißen Stoff ermöglichte, 24 Anzüge in verschiedenen Größen herzustellen, zum Ausleihen an die Schüler. Sie wurden alle im August in der eigenen Nähschule geschneidert.

Die Nähschule

Die Nähschule hatte mit vielen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Es fehlte nicht an Lernwilligen. Diese waren aufgeteilt in zwei große Gruppen: die jungen Schul-abgängerinnen morgens, und die älteren Frauen aus der Nachbarschaft nachmittags. Das grosse Interesse hatte dazu geführt, dass zu viele Anfängerinnen aufgenommen wurden, und in kurzer Zeit alle Nähmaschinen wegen falscher Bedienung nicht mehr funktionierten.

Darum war es nötig, die Schneiderwerkstatt noch einmal ganz neu zu organisieren. Ab Juli 2011 führt nun ein älterer Schneidermeister dort die Regie, der früher in einer Textilfabrik in Port-au-Prince gearbeitet hatte und die Nähmaschinen auch warten und reparieren kann.

Er hat sich schnell Respekt verschafft und auch gleich ein diszipliniertes ganztägiges Programm für beide Gruppen aufgestellt. Unter seiner Anleitung begann schon während der Sommerferien die Anfertigung von Schuluniformen. Die Eltern können diese Uniformen dann für einen günstigeren Preis in der Schule kaufen, als wenn sie sie woanders anfertigen ließen. Besonders bedürftige Kinder bekommen die Uniform kostenlos.

Die Schulkantine

Der Betrieb der Kantine verlief das ganze Jahr 2011 über normal. Die Schüler konnten regelmässig ihre warme Mahlzeit erhalten, wenn auch das Menü im Vergleich zur Vergangenheit sehr eintönig war. So gab es fast nur Reis und Bohnen (ohne Sauce). Dies lässt sich erklären durch die noch andauernde Überlastung der Hilfsorganisationen, die noch immer sehr mit der Versorgung der Erdbeben Überlebenden der Hauptstadt in Anspruch genommen sind. So kann auch die für die Schulspeisungen zuständige PAM leider nur das Nötigste leisten.

Sommerferien 2011

Auch in den Ferien war die Schule belebt. Wie immer fanden im Juli/August freiwillige Nachhilfekurse für schwächere Schüler statt - als letzte Chance eine Klasse nicht wiederholen zu müssen.

Kinder aus der Nachbarschaft spielten auf dem Schulhof, um den Brunnen scharten sich täglich die Wasserholer, und dazwischen waren die Handwerker tätig. Zweimal in der Woche übte die Blaskapelle, und an den Wochenenden dröhnten die Trommeln der professionellen “Damballah” Woodu- Volkstanztruppe, die im geräumigsten Klassenzimmer probten für ihre Auftritte vor den Kreuzfahrttouristen in Labadee.

Es kam auch vor, dass ausländische Ärzte verschiedener Organisationen kurzfristigRäume der Schule für 1-2 Tage nutzten, um dort kostenfreie Konsultationen für die arme Bevölkerung zu geben.

Verbesserungen der Infrastruktur

In diesem Jahr war es eine Reihe kleinerer aber doch wichtiger Verbesserungen, die durchgeführt wurden:

- Der noch immer unfertige Erd-Fußboden des Lagerraumes neben der Küche wurde aufgeschüttet und zementiert, um dort auch Küchenutensilien und Essgeschirr sauber unterbringen zu können.

- Ein Stück Gang zwischen Direktion und Außenmauer wurde zu einem brauchbaren neuen Raum ausgebaut, um mehr Platz zu gewinnen und Schuldokumente und wertvolleres Material sicher aufzubewahren.

- Die zwei Zimmer der Direktion erhielten: eine neue Zwischentüre mit gutem Schloss, zwei grosse Tische mit Stühlen drum herum für die Lehrer zum Studieren und Essen. Ein großer, tiefen Wandschrank wurde gebaut und ein großes Bücherregal. Die sehr provisorische elektrische Installation in der Direktion wurde erneuert.

Bibliothek

Eine Begegnung mit der Direktorin der “Alliance Française” (einer französischen Kultureinrichtung) in Cap Haitien, hatte dazu geführt, daß der Schule im August zehn Kartons voll französischer Lehrbücher geschenkt wurden, ein Grundstock für die lang ersehnte kleine Bibliothek. Der Großteil der Schenkung bestand aus Sprachbüchern, aber auch Lexika und andere Sachbücher waren darunter. Eine hochwillkommene Ergänzung und Bereicherung vor allem für unsere Lehrer.

Für die Schüler werden dringlicher haitianische Lehrbücher gebraucht. Auf diese Bücher ist das nationale Schulsystem aufgebaut, und stärkere Abweichungen davon können den Kindern beim Übergang in weiterführende Schulen Probleme bereiten.

Eine freudige Überraschung zum Jahresende

Eine andere Begegnung in Cap Haitien, diesmal mit Vertretern der Deutschen Botschaft in Port-au-Prince hatte ebenfalls höchst erfreuliche Folgen: Wir wurden ermutigt, für die dringlichsten Verbesserungen oder Reparaturen an der Infrastruktur der Schule Hilfe aus dem “Kleinstprojektfond” der Deutschen Botschaft zu beantragen.

Das Antrag wurde gestellt, sofort bewilligt, und nun sind wir in der überglücklichen Lage im Laufe der kommenden Monate einige unserer schlimmsten Schwachstellen in Ordnung bringen zu können.

Aufgrund dieser wundervollen unverhofften Hilfe, die uns so viel an grösseren Ausgaben abnimmt, wird es uns nun zu unserer grossen Freude möglich sein, im kommenden Jahr die Gehälter der Lehrer etwas zu erhöhen.

Voller Zuversicht geht so das Jahr 2011 zu Ende.